Manchmal kommt es anders als man denkt. Bei der Anmeldung zum Berlin-Marathon wollte ich meinen Großcousin Thomas zu seinem Ziel 4:15h begleiten. Da er verletzungsbedingt absagen musste, begleitete ich meinen Kumpel Marc, der zwar ebenfalls im Frühjahr krank war, aber wie ich nun wenigstens den Startplatz nicht verfallen lassen wollte. Zielzeit blieb dieselbe, Marc konnte nach der Vorbereitung unmöglich seine 3:15h angehen und mir passte die Zeit ja auch ganz gut in meinen Ultra-Plan.
Es war schon komisch nach 2016 und 2017 wieder nach Berlin zu reisen. Diesmal nicht mit der Hoffnung eine neue persönliche Bestleistung in die Straßen unserer Hauptstadt zu hämmern. Entspannt ankommen, schließlich bin ich drei Wochen zuvor ja bereits den Fränkischen-Schweiz-Marathon gelaufen und habe mein 75km+Projekt vor Augen.
Ich könnte jetzt viel über die Anreise, Anmeldung, den Abend vor dem Lauf, Hotel etc. schreiben – dies war aber alles unspektakulär, deshalb geht es einfach gleich mal an den Start am Sonntag, 25. September 2022.
Dieser war für uns im Block D wie die Elitegruppe um 9.15 Uhr angesetzt. Es sollte aber 13 (!) Minuten dauern bis wir nach dem Startschuss dann auch tatsächlich über die Startlinie laufen durften. Wie entspannt ich den Lauf nahm merkte man bereits auf km 1. Handy gezückt und etwas gefilmt und fotografiert. Und auch so war alles locker, zu locker…. Nach dem 1. Km ging es für 25 Sekunden gleich mal rechts raus – meine erste Pinkelpause bei einem Marathon seit vielen Jahren.
Der Lauf war super, Stimmung klasse, Wetter toll. Die Kilometer flogen in gemäßigtem Tempo und Dank Unterhaltungen mit Marc und Mitfläufern so dahin. Bei km 4 durfte ich den ersten Sieger des Berlin-Marathons kennenlernen. Der mittlerweile 80jährige Günter Hallas sollte die Strecke in knapp unter sechs Stunden bewältigen! Respekt! Seine Siegerzeit am 13. Oktober 1973 war 2:44h.
Auf dem ersten Halbmarathon hat mich Jochen Brosig, bekannt als Querläufer und Moderator des Fränkischen-Schweiz-Marathons, über den Weltrekordlauf von Eliud Kipchoge auf dem Laufenden gehalten. Der 37jährige Kenianer lief in 2:01:09 durchs Ziel und verbesserte seinen eigenen Rekord aus 2018 um 30 Sekunden. Völlig verrückt, was bei mir während des Laufens für Gänsehaut sorgte. Wir waren da gerade bei km 19.
Ich erfreute mich sehr an den lustigen Läufern, verkleidet als Flash oder Biene, mit Fussballtrikots des 1. FC Union Berlin oder des SC Freiburg, einem asiatischen Brautpaar in Hochzeitsoutfit und dem Baumstammläufer Mamo, der tatsächlich in 5:46h einen Baumstamm (!!!) die ganze Strecke trug. Es gibt wirklich verrückte Leute. Aber ich habe Respekt vor jedem und durfte mit ihnen herzhaft lachen. Ob das auch mal was für mich wäre? Z. B. in einem Kegelkostüm einen Marathon zu laufen?!?
Ab km 32 wurde Marc dann etwas ruhiger, ich merkte auch schon relativ früh ein bisschen was, aber alles war auszuhalten und in dem Tempo konnte man bislang gut laufen. Nach km 36 schickte mich mein Freund aber leider alleine weiter, er legte eine Gehpause ein. Ich informierte seine Frau Barbara, die bei km 37 wartete und bekam kurz darauf von ihr die Info, dass er wieder läuft. Dadurch hatte sich mein schlechtes Gewissen gebessert. Vielleicht kommt Marc ja kurz nach mir ins Ziel.
Für mich lief es entspannt weiter. Ich hatte ja das Handy dabei und dachte mir, ach was solls, ruf doch mal die Eltern an. Die Frage meines Vaters, was denn bei mir im Hintergrund los ist und ob ich nicht heute laufen wollte war schon sensationell. Ich habe dann auch relativ viel vom letzten Kilometer gefilmt (Film kommt irgendwann hier). Wer Lust hat kann sich das ja mal anschauen. Bitte entschuldigt die Wackler, das war alles ganz spontan.
Nach 4:11:27 erreichte ich das Ziel – 62 Minuten langsamer als bei meinem Rekord vor sechs Jahren, aber ähnlich glücklich. Fast hatte ich auf der Zielgeraden Freudentränen in den Augen. Es ist schon erstaunlich wie schnell ich jetzt dann doch wieder solche Distanzen laufen kann nachdem ein paar Jahre Ebbe war.
Marc kam nur unwesentlich später als ich ins Ziel (4:18:51). Glückwunsch und Respekt, dass du es durchgezogen hast! 2023 wird für dich wieder ein besseres Laufjahr. Ich habe jetzt erstmal meine 75km am 16. Oktober im Kopf und hoffe diese nun gut vorbereitet zu meistern.
Nach dem Zieleinlauf haben wir uns noch gut verpflegt und die warme Dusche vor Ort genossen. Dann bin ich relativ schnell in die U-Bahn am Reichstag und mit dem ICE nach Hause gefahren. Im Gepäck eine weitere Finisher-Medaille und viele tollen Bilder im Kopf und dieses Mal auch im Handy.
Bis dahin
Viel Spaß beim Sporteln!
Euer Parzi
Zwei strahlende Finisher - Marc und ich im Zielbereich